EU-Kommission arbeitet an neuem Reformvorschlag zum Saatgutrecht

Seit über einem Jahr nimmt die EU-Kommission (DG SANTE[1]) erneut eine Reform der EU-Saatgutverordnung in Angriff und hat bereits im April 2021 ein Optionenpapier zur Vorbereitung veröffentlicht. Zu diesem Papier konnten Interessengruppen wie Sortenämter, Pflanzenzüchter*innen oder Saatgutinitiativen im Juni/Juli 2021 ihre Stellungnahmen einbringen. Weiterhin gab es von Januar bis März 2022 eine EU weite öffentliche Online-Befragungsaktion zu den Reformoptionen. Im Laufe der nächsten Monate wertet die Kommission die Ergebnisse der Befragungen aus und führt eine Folgenabschätzung für die neuen Rechtsvorschläge durch. Ende 2022 will die EU-Kommission ihren Vorschlag für die neue Saatgutverordnung vorlegen (Zur Webseite der EU über den Vorgang).

Mit der Reform strebt die EU-Kommission an, die aus den 1960er Jahren stammende, veraltete, uneinheitliche und starre Saatgutgesetzgebung zu vereinheitlichen und die Umsetzung in den verschiedenen EU-Staaten anzugleichen. Die zukünftige Gesetzgebung soll sich auch an neue europäische Prioritäten anpassen, wie den „Green Deal“, die Biodiversitätsstrategie sowie die EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel.

Die EU will mit der Biodiversitätsstrategie dem Rückgang der genetischen Vielfalt entgegenwirken. Dazu werden im Optionenpapier Maßnahmen erwogen, wie vereinfachte Registrierung von Saatgut traditioneller Kulturpflanzen, lokal angepasster Sorten oder von Sorten für den ökologischen Landbau, um diesen Sorten einen leichteren Marktzugang zu gewährleisten. Eine Anpassung der Homogenitätsanforderungen für ökologische Sorten soll geprüft werden. Saatgut für Hobbygärtner könnte von der Registrierungspflicht ausgenommen werden. Weiterhin könnten gemeinnützige Saatgut-Erhalternetzwerke aus der Gesetzgebung ausgenommen werden, um die Erhaltung genetischer Ressourcen zu fördern.

Standpunkt des VERN e.V.

Aus Sicht des VERN finden sich in dem Optionenpapier somit einzelne positive Punkte, die aber nicht ausreichen, dem Rückgang der Kulturpflanzenvielfalt kraftvoll entgegenzuwirken. Wir brauchen Rahmenbedingungen, welche die Erhaltung, die nachhaltige Nutzung und den freien Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen aktiv fördern.

Ein tatsächlich zukunftsfähiges EU-Saatgutrecht muss die internationalen Verpflichtungen zur Förderung der Agrobiodiversität verbindlich umsetzen. Diese Verpflichtungen ergeben sich aus der Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD), dem Internationalen Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) und der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten (UNDROP, Artikel 19, Recht auf Saatgut und Artikel 20, Recht auf Biologische Vielfalt).

  • Der Rechtsrahmen muss an die Notwendigkeit der Erhaltung von pflanzengenetischen Ressourcen angepasst werden. Im Sinne des Gemeinwohls muss er die Belebung der genetischen Vielfalt unserer Kulturpflanzen auf den Äckern und in den Gärten fördern.
  • Keine Registrierungspflicht für traditionelle Kulturpflanzen und alte Sorten. Die große Zahl alter, vernachlässigter Sorten, die einen sehr kleinen Nutzerkreis haben und in sehr geringen Saatgutmengen vermehrt werden, muss aus dem Saatgutrecht ausgenommen werden.
  • Akteure für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt müssen aus dem Geltungsbereich des Saatgutrechts herausgenommen werden. Dazu zählen On-farm Netzwerke, individuelle Erhalter*innen, bäuerliche Saatgutproduktion, kleine Erhaltungszüchtungsbetriebe, regionale Direktvermarkter.
  • Recht auf Nachbau: Das bäuerliche Recht, eigenes Saatgut zu ernten, zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen muss EU-weit eingeräumt werden
  • Verpflichtung zur Kennzeichnung von Züchtungsmethoden (Hybridsorten, etc.) im Sinne des Verbraucherschutzes
  • Keine Privatisierung bisher amtlicher Aufgaben bei der Sortenzulassung und Saatgutzertifizierung

[1]  DG SANTE: Directorate-General for Health and Food Safety, Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Kommissarin Stella Kyriakides

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