Blauer Mais und rote Kartoffel, eine kleine Kulturgeschichte bekannter und weniger
bekannte Nahrungspflanzen von Andreas Volz


Buchbesprechung von Rudolf Vogel

Maca, Oca oder doch lieber Kartoffeln?

Hat der Zufall bei der Auswahl unserer Nahrungspflanzen zur Bevorzugung der Kartoffel geführt? Hätte man sonst heute mehrere Tausend Zuchtsorten von Maca oder Oca anstatt von Solanum tuberosum? Auf nur fünf Nutzpflanzen – Zuckerrohr, Mais, Weizen, Reis und Kartoffel – beruht im Wesentlichen die menschliche Ernährung (75 % der Welternte nach einer FAO-Statistik von 2017).
Die deutsche Anbaufläche wird zu 79 % von Weizen, Gerste, Raps und Roggen beansprucht. Ein verschwindend geringer Bruchteil von den insgesamt etwa 4900 kultivierten Nutzpflanzenarten wird von uns tatsächlich in nennenswertem Umfang genutzt. Das damit verbundene Risiko eingeschränkter genetischer Vielfalt, einer künftig nötigen züchterischen Anpassung und viel verlorenes Wissen zu Anbau, Kultur und Gebrauch einer größeren Kulturartenvielfalt wird zugunsten kurzfristiger technischer Optimierung und ökonomischer Vorteile durch großflächigen Anbau, vereinfachter Produktion, Handel und globaler Ernährung in Kauf genommen. Leider widmen sich nur wenige Veröffentlichungen der mit Nutzpflanzen weltweit eng verbundenen Kultur- und Sozialgeschichte und erinnern damit an kaum mehr bekanntes Wissen um soziale und kulturelle Zusammenhänge die immer wesentlich für den Gebrauch von Nutzpflanzen und deren dauerhafte Kultur waren.
Für den deutschsprachigen Raum liegt seit 1987 als umfassendes Standardwerk von
Udelgard Körber-Grohne eine im Stuttgarter Theiss-Verlag erschienene Monographie
„Geschichte der heimischen Nutzpflanzen“ vor, Heinz-Dieter Krausch, ein Brandenburger Botaniker und Kulturpflanzenexperte fügte diesem 2003 eine weitreichende Übersicht zu Zierpflanzen (Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen…, erschienen im Verlag Döllingen und Galitz, Hamburg) hinzu und richtete damit den Blick stärker auf die Gartenkultur.
Der Freiburger Ethnologe und Volkskundler Andreas Volz veröffentlichte aktuell jetzt mit dem Titel „Blauer Mais und rote Kartoffel, eine kleine Kulturgeschichte bekannter und weniger bekannte Nahrungspflanzen“ eine bemerkenswerte Übersicht besonderer
Kulturpflanzen. Der kleine, sonst weitgehend auf Naturschutzthemen spezialisierte
Brandenburger Verlage Natur +Text, Rangsdorf hat die Aufgabe übernommen, diese über 500-seitige, durchaus umfassende Monographie ausgewählter Nahrungspflanzen vorzulegen.
Interessant und bemerkenswert dabei ist, dass es sich nicht nur um die im europäisch-
altweltlichen Raum gut bekannten, wenigen eigenen Kulturpflanzen und die mittels
Kolonialisierung angeeigneten Nahrungspflanzen (wie Mais, Kartoffel u.a.) handelt. Der Schwerpunkt der beschriebenen Pflanzen liegt vor allem auf „weniger bekannten“, den Lesern vermutlich oft sogar weitgehend unbekannten Arten. Sie werden vielfältig neben grundlegenden Hinweisen zu Botanik, Abstammung und räumlicher Verbreitung besonders unter kulturellen und soziokulturellen Bezügen charakterisiert.

Angaben zur aktuellen Nutzung und als Mitmachexperiment Koch- und Zubereitungsrezepte ergänzen und vervollständigen das Werk. Als besondere Stärke des Autors sind zweifellos die gelegentlich sehr umfassenden Ausführungen zur Archäologie und Forschungsgeschichte anzumerken. Ein sehr umfassendes Literaturverzeichnis, wichtige Quellen, Statistiken zum Anbau, Vorkommen und Inhaltsstoffen runden das Buch ab. Auch die anschauliche, modern gestaltete Darstellung der räumlichen Verbreitungsgeschichte erfolgter aktiver und passiver
Wanderungen dieser beschriebenen Pflanzen, sowohl per Schiff, Ozeandrift, Rucksack, und moderner wohl zunehmend als DNA-Sequenz, die das seit Vavilov erstmalig dargestellte System der Genzentren um neuere Forschungsergebnisse ergänzt, ist informativ und wertvoll. Das nach deutschen Artbezeichnungen vorgenommene alphabetische Verzeichnis mutet anfangs eigenwillig an, erleichtert aber durchaus den Gebrauch.
Insgesamt ein ausgesprochen empfehlenswertes Werk, mit dem nach langer Zeit wieder einneueres Werk zur Kulturgeschichte von Nutzpflanzen vorliegt, dass sich darüber hinaus den sonst in unserer heimischen Umgebung kaum bekannten Arten widmet. Damit wird auch indirekt die mutmaßliche Zufälligkeit bei Auswahl und Wertschätzung globaler Nahrungspflanzen angesprochen.


Andreas Volz: „Blauer Mais und rote Kartoffel, eine kleine Kulturgeschichte bekannter und weniger bekannte
Nahrungspflanzen“, 2019, 512 Seiten, mit Abbildungen, Gebunden, Verlag: Natur+Text Verlag

ISBN-10: 3942062348, ISBN-13: 9783942062343; 49,90 €

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