‘Prelude’ – Ein Name, drei Tomatensorten

Heinz-Dieter Hoppe

Der Sortenname ‘Prelude’ scheint sich einiger Beliebtheit zu erfreuen. Bei unseren Recherchen fanden wir drei unterschiedliche Sorten, die sich alle durch Frühzeitigkeit auszeichnen bzw. auszeichneten. Wie man sieht, ist der Name Programm.


1. US-amerikanische Sorte

Abb. 1: Beschreibung der Sorte ‘Prelude’ (Auszug aus dem Saatgut-Katalog von Vaughan 1889)

Um 1889 zeichnet die Königliche Gartenbaugesellschaft von London die Sorte ‘Prelude’ mit einem Zertifikat der ersten Klasse aus (Vaughan 1889) (Abb. 1). Vorausgegangene Sortenprüfungen in Chiswick (jetzt Ortsteil von London) und in der Agricultural Experiment Station der Cornell University von Ithaca (USA) beschreiben die Sorte als eine der frühesten und ertragreichsten im Prüfsortiment (Iggulden 1889; Bailey 1889).

Züchter der Sorte ‘Prelude’ soll der Botaniker Frederick Hinsdale Horsford in den USA gewesen sein (Iggulden 1889). Dieser gründete 1883 gemeinsam mit Cyrus G. Pringle eine Baumschule (Horsford Gardens and Nursery 2022). Horsford gilt als internationaler Pionier in der Lilienzüchtung. Im Jahr 1895 bot Horsford fast 60 Sorten zum Verkauf an. Die Tomatensorte ‘Prelude’ scheint daher eher ein Nebenprodukt zu sein.

Bereits im Jahr 1890 erscheint in einem Samenkatalog von Benary aus Erfurt diese Sorte in Deutschland (Benary 1890). Dort wurde sie als „neu, glänzend carmoisinscharlach, rund, glatt, sehr früh. Zum Treiben empfohlen“ beschrieben. ‘Prelude’ scheint in Deutschland allerdings kaum Verbreitung gefunden zu haben. In Katalogen von anderen namhaften Züchtern und Saatguthändlern ist sie so gut wie nicht aufgeführt. Nur bei Haage und Schmidt, ebenfalls Erfurt, ist sie noch zu finden (Haage & Schmidt 1896), das hängt wahrscheinlich mit der örtlichen Nähe zu Benary zusammen. Bei Benary wird sie im Saatgutkatalog von 1918 nur noch aufgeführt, allerdings ohne Saatgut anzubieten (Benary 1918). Danach scheint sie auch Benary nicht mehr im Angebot zu haben.

Nach Angaben des Saatguthändlers Vaughan (Vaughan 1889) ist die Sorte aus einer Kreuzung zwischen ‘Little Gem’ und ‘Acme’ hervorgegangen (Abb. 1). Den Eltern entsprechend, handelte es sich bei der US-amerikanischen Sorte um eine unbegrenzt wachsende Form, landläufig als Stabtomate bezeichnet.

Diese erste ‘Prelude’ müssen wir entgegen den Aussagen im PGRDEU als verschollen ansehen (PGRDEU – Pflanzengenetische Ressourcen in Deutschland 2022). Im PGRDEU ist sie als Traditionssorte eingruppiert. Da es in der IPK-Genbank am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben eine gleichnamige Akzession gibt (IPK 2022), erfolgte der Schluss, dass es sich dabei um die beschriebene ‘Prelude’ handeln muss. Der Irrtum wird klar, wenn die Sorte On-farm erhalten wird.

2. Buschtomate ‚Prelude‘

Abb. 2: Buschtomate ‘Prelude’ (Foto: Gisa + Heinz-Dieter Hoppe, Quedlinburg)

LYC 3911, eine Akzession aus dem IPK Gatersleben, ist uns 2017 erstmalig für den Sortenerhalt durch ProSpecieRara übertragen worden. Da wir nur die Informationen vom PGRDEU hatten, haben wir die Sorte wie eine Stabtomate (unbegrenztes Wachstum) behandelt. In gewohnter Manier entfernten wir die Seitentriebe und ließen nur den Haupttrieb stehen. Das wurde uns allerdings von den Pflanzen stark verübelt, sie wuchsen kümmerlich. Im Laufe der Vegetationszeit hatten wir dann begriffen, dass wir bei der Kultur etwas falsch machten. Wir unterließen das Ausgeizen und die Pflanzen konnten endlich so wachsen, wie es ihrem Wuchstyp entspricht. Die Buschtomate ‘Prelude’ (begrenztes Wachstum) hatte ihren Platz bei uns gefunden (Abb. 2).

Als Herkunft der Sorte wird in der Genbank des IPK Russland angegeben. Sie kam 1995 durch die Seed Savers Exchange nach Gatersleben, ist aber bei den Seed Savers in den USA nicht mehr zu finden (Recherche 29.11.2022).

Es scheint so, dass ‘Prelude’ bei Hobbygärtnern in slawischen Ländern noch im Anbau ist. Wir konnten dazu Nachweise auf ukrainischen und russischen Internet-Seiten finden (Anonymus 2022a, 2022b).

3. Die F1-Hybride

Abb. 3: ‘Prelude’ Anbau auf Stroh in der FH Erfurt, Fachrichtung Gartenbau (Foto: Birgit Wilhelm)

Laut den Angaben der EU Plant variety database gab es eine Tomaten-F1-Hybride mit dem Namen ‘Prelude’. Die Zulassung in Europa erfolgte für die Firma Hazera Seeds Ltd. (Spanien) von März 2012 bis Juli 2022. Hierbei handelte es sich um eine frühreife Form mit unbegrenztem Wachstum.

On-farm-Erhaltung

Seit 2019 gehört ‘Prelude’ zu den Erhaltersorten des VEN (Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt). 2019 und 2020 wurde diese Sorte an insgesamt zehn Standorten innerhalb Deutschlands angebaut (VEN 2020).

Am Standort Quedlinburg gehört sie zu den frühreifsten Sorten. Zum Reifestandard ‘Quedlinburger Frühe Liebe’ (synonym ‘Frühe Liebe’) waren kaum Unterschiede festzustellen. In der Regel können die ersten Früchte ab Anfang Juli im Freiland geerntet werden.

Die Sorte hat im Freiland sowie im geschützten Anbau ein gutes Ertragspotential. Allerdings ist in regenreichen Regionen (Jahren) ein geschützter Anbau (Dach) empfehlenswert. Durch Braunfäule werden die Pflanzen schnell dahingerafft. Der Geschmack ist typisch tomatig und bei vielen Erhaltern beliebt.

Merkmale:

  • Buschtomate, nicht hochwachsend (Abb. 3)
  • Mittelgroße, flachrunde bis runde, rote, auch im Freiland platzfeste Früchte.
  • Reifezeit ist sehr früh und in normalen Jahren kann ab Anfang Juli im Freiland mit einer Ernte gerechnet werden.
  • Die Sorte ist angenehm aromatisch. Die Schale ist fest, aber nicht hart.
  • Gut geeignet für die Herstellung von Tomatenmark, aber auch roh zu verwenden.
  • Anfällig für Braunfäule.
  • Gegen Ende August wird das Wachstum eingestellt.

https://www.nutzpflanzenvielfalt.de/prelude


Literaturverzeichnis

Anonymus (2022a): Семена томата «Прелюдия». Online verfügbar unter https://ogorod.ua/, zuletzt aktualisiert am 14.11.2022, zuletzt geprüft am 14.11.2022.

Anonymus (2022b): Томаты О-П. Прелюдия. Online verfügbar unter https://varieties.ru/c-tomato-o/, zuletzt aktualisiert am 14.11.2022, zuletzt geprüft am 14.11.2022.

Bailey, L. H. (1889): Tomatoes. In: Cornell Univ. Agr. Exp. Sta. Bul. 10, S. 113–125.

Benary, Ernst Erfurt (1890): Engros-Preis-Verzeichnis. Erfurt.

Benary, Ernst Erfurt (1918): Engros-Preis-Verzeichnis. Erfurt.

Haage & Schmidt (1896): Hauptverzeichnis über Samen und Pflanzen 1896.

Horsford Gardens and Nursery (2022): Nursery History. Online verfügbar unter https://horsfordnursery.com/, zuletzt aktualisiert am 28.11.2022, zuletzt geprüft am 28.11.2022.

Iggulden, W. (1889): Tomato its culture & uses. London: Journal of Horticulture Office.

IPK (2022): LYC 3911 – Prelude. Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung. Gatersleben. Online verfügbar unter https://gbis.ipk-gatersleben.de/, zuletzt aktualisiert am 29.11.2022, zuletzt geprüft am 29.11.2022.

PGRDEU – Pflanzengenetische Ressourcen in Deutschland. 4.2.2.4 Liste Sorten (2022). Online verfügbar unter pgrdeu.genres.de, zuletzt aktualisiert am 29.11.2022, zuletzt geprüft am 29.11.2022.

Vaughan (1889): Vaughan’s Seed Store 1889. Chicago.

VEN (2020): Sorte: Prelude. Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt. Online verfügbar unter https://www.nutzpflanzenvielfalt.de/

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