Die denkmalgerechte Sanierung des Hauses Burgstraße 21 und Ausbau zum Bildungszentrum Kulturpflanzen & Vielfalt

Von Martin Krassuski und Cornelia Lehmann

Denkmalschutzeintragung

2010 erwarb der VERN e.V. das Gebäude Burgstraße 21 von der Stadt Angermünde. 2015 wurde es unter Denkmalschutz gestellt (Denkmaltopographie Uckermark, Bd. 18.1, 2016, S. 290). Es ist ein Beispiel für den Typ eines Doppelstubenhauses, wie er früher im Hauptstraßenzug des Städtchens häufig anzutreffen war. Hervorgehoben wurde die im Haus noch gut ablesbare Entwicklung der Heiz- und Kochanlagen. Die Bauzeit wurde auf 1786/1815 eingeschätzt.

Das Sanierungskonzept

2015 konnte der VERN e. V. mit Hilfe von Spendengeldern das Planungsbüro ALV, Martin und Bettina Krassuski beauftragen, den Sanierungsbedarf für das denkmalgeschützte Fachwerkhaus zu ermitteln und einen Plan für den Ausbau zum Seminarhaus zu erarbeiten.

Der Plan von ALV stellt die historische „Schwarze Küche“ als Kulturdenkmal in den Mittelpunkt, um die herum die Funktionsräume angeordnet werden. Das Haus wird zweistöckig ausgebaut. Im Erdgeschoß sind ein Seminarraum und eine Küche, die auch für Workshops geeignet ist, vorgesehen. Im Dachgeschoß werden eine Saatgutwerkstatt und Ausstellungsräume untergebracht.

Mit dem Ausbau des neuen Seminarhauses zum Bildungszentrum Kulturpflanzen & Vielfalt erhält der VERN e.V. Räume für Seminargruppen, für praktische Übungen zur Arbeit mit Saatgut, sowie eine Küche für die Verarbeitung und Verkostung von Raritäten. Dadurch kann der Verein sein Angebot stark erweitern, Kurse das Jahr hindurch anbieten und seine Arbeit besser als bisher mit der Arbeit anderer Akteure verknüpfen. Weiterhin wird der VERN e.V. endlich über eine barrierefreie sanitäre Einrichtung verfügen.

Der Zustand vor der Sanierung 2016

Im ersten Eindruck zeigte sich das Haus unansehnlich durch den Betonputz an der Straßenfassade, das desolate Fachwerk und die hässlichen Eingangslaube auf der Hofseite und durch das mit Asbestplatten gedeckte Dach. Auch das Innere war wenig ansprechend mit dem Betonfußboden, den Styroporkassetten an den Decken, sowie den Wänden mit Kunststofffenstern und Spanplattentüren.

Abb. 1 Hoffassade vor Sanierung (Foto M. Krassuski)
Abb. 2 Ostgiebel vor Sanierung (Foto M. Krassuski)
Abb. 3 Keller vor Sanierung im Herbst 2014 (Foto M. Krassuski)

Reizvoll dagegen waren der schöne alte Fachwerkgiebel zum Hof, der originale, wenn auch beschädigte Dachstuhl aus der Entstehungszeit, im Dachgeschoß der mächtige Mantelschornstein mit einer Räucherkammer im Inneren. Spannend war auch die Giebelstube zur Westseite, die mit einem hübschen Kachelofen und einer kleinen Kochmaschine ausgestattet war und deren lehmverputzte Wände durch eine preußischblaue Bordüre verziert waren.

Einen guten Eindruck machte der von außen zugängliche Vorratskeller, erbaut aus mächtigen behauenen Granitsteinen mit schön gewölbten Vorratsnischen und einem gestampften Lehmboden.

Rückbau und Spurensuche

Mit Baubeginn im Mai 2017 wurden als erste Maßnahme Bauteile der neueren Zeit entfernt: der Betonestrich des Fußbodens, die PVC-Beläge, die Tapeten und die Styroporplatten von den Decken. Die Asbestplatten vom Dach wurden fachgerecht entsorgt.

So wurde einiges freigelegt: In einigen Räumen traten die behauenen Deckenbalken zu Tage. Auf den Kehrseiten der Nischen unter dem Mantelschornstein wurden zugemauerte überwölbte Öffnungen erkennbar. Im Raum über dem Keller wurden die breiten ochsenblutfarbenen Dielen des Fußbodens sichtbar und in einigen Räumen kreidegestrichene Paneele aus breiten Brettern.

Beim Abschlagen des Zementputzes auf der Straßenseite kam ein barockformatiges Ziegelmauerwerk zum Vorschein. Beim späteren Freilegen der Deckenbalkenköpfe auf der Straßenseite wurde deutlich, dass das Ziegelmauerwerk der Straßenfassade anders als zunächst vermutet, bauzeitlich erstellt worden war. Das Fachwerk der Giebel ist sauber an die Fassade herangezimmert. Die breitere Konstruktionstiefe des Ziegelmauerwerks wird durch lange Aufschieber überbrückt.

Schwarze Küche und Mantelschornstein

Nach Entfernen diverser neuzeitlicher Schichten der Unterdecke im zentralen Raum unter dem Mantelschornstein stellte sich heraus, dass die Holzbalkendecke hier bauzeitlichen Ursprungs ist, und nicht, wie in anderen Gebäuden mit Mantelschonsteinen in der Region, nachträglich eingebaut wurde. Die Räucherkammer gab es also schon immer. Der Mantelschornstein ist zweischalig. Als in einer späteren Sanierungsphase der Schornstein oberhalb geöffnet wurde, konnten insgesamt sieben Züge gezählt werden. Durch Ausleuchten und Herablassen von Loten wurde die Konstruktion des Mantelschornsteins vollständig nachvollzogen.

Abb. 4: Links: Querschnitt Schwarze Küche, Blick zum Hof; Rechts: Längsschnitt Schwarze Küche, Blickrichtung West (Zeichnung M. Krassuski)
Abb. 5 Backofen mit Feuertür von Seiten der Schwarzen Küche (Zeichnung M. Krassuski)

Der zentrale Raum im Erdgeschoss wurde genutzt, um über die Öffnungen in den Nischen der Querwände in den Zimmern dahinter liegende Hinterladeröfen zu befeuern. Asche und Schmutz bleiben im zentralen Raum mit dem feuerbeständigen Ziegelfußboden. Dieses Prinzip wurde beim späteren Einbau des Backofens wieder aufgegriffen.

Sanierung der Holzbalkendecke

Bei der Begutachtung der Holzbalkendecke stellte sich ein massiver Sanierungsbedarf heraus. Fast alle Balkenköpfe waren schwer geschädigt und mussten ausgetauscht werden. Um möglichst viel von der Balkendecke zu erhalten und auch den Mantelschornstein nicht anfassen zu müssen, fand Martin Krassuski eine besondere Lösung zur Sanierung. In die Balkenebene wurde ein deckengleicher Stahlunterzug gelegt, in den die Bestandsbalken und die neuen Balkenköpfe eingepasst wurden. Die Ausführung dieser Variante war aufwändig, denn durch die starke Verformung der Decke ergaben sich versetzte Stöße bei den Anschlussstellen der einzelnen Stahlträger. Die guten Handwerker der beauftragten Zimmerei Holzmanufaktur Weber waren diesen besonderen Anforderungen einwandfrei gewachsen. Mit dieser Lösung wurden drei Viertel der Holzbalkendecke im Original erhalten werden und der Mantelschornstein musste nicht angefasst werden.

Abb. 6 Deckengleicher Unterzug mit neuen Balkenköpfen (Foto M. Krassuski)

Herdglocke und andere Entdeckungen

Nach dem Rückbau von Wandverkleidungen im Nachwendebad wurden merkwürdig angeordnete abgebrochene Ziegel in der Wand entdeckt. Ehemalige Balkenauflager, die Ausbuchtung im Mantelschornstein im Dachgeschoss und ein Loch im Deckenbalken – hier war ein Zugstab befestigt – bestätigten die Vermutung. Hier war eine Herdglocke eingebaut. An den Abrissen an den Wandfüssen in diesem Bereich ließ sich sogar noch die gemauerte Feuerstelle exakt rekonstruieren. Diese Entdeckung führte zu dem Beschluss, die ehemalige archaische Küche wiederherzustellen und dafür den Grundriss des Erdgeschosses neu zu organisieren, da an dieser Stelle eigentlich die Treppe ins Dachgeschoss vorgesehen war.

Auch an anderer Stelle wurden Entdeckungen gemacht. Eine eingewölbte Kellernische war wohl einmal ein Zugang vom Inneren des Gebäudes zum Keller. Und beim Abdecken des Daches wurden in der Giebelstube auf der Straßenseite Kerben in den Sparren und Putzreste gefunden, die eindeutig einer hier einmal eingebauten Schleppgaube zuzuordnen sind. Die Rekonstruktion der Gaube erlaubte den Verzicht auf das hier zur Belichtung notwendige Dachflächenfenster.

Abb.7: Im Rohbau fertige Herdglocke mit Feuerstelle (Foto M. Krassuski)

Backofen, Küchenhexe & Co.

Zwei der insgesamt drei Nischen im zentralen Raum unter dem Mantelschornstein wurden als Grillstellen eingerichtet, hinter der Dritten wurde ein Backofen im Seminarraum gebaut. Er wird wie die früher im Gebäude stehenden Hinterladeröfen vom zentralen Raum unter dem Mantelschornstein befeuert. Das fertige Backwerk kann im Seminarraum entnommen werden.

Abb. 8 Der Backofen im Seminarraum (Foto M. Krassuski)
Abb. 9 Blick in die Schwarze Küche (Foto M. Krassuski)

Im Dachgeschoss wurden zusätzlich der Kachelofen und die kleine Küchenhexe an das Schornsteinsystem angeschlossen. Vorher musste geklärt werden, wie der Schornsteinfeger die verschachtelten Züge in Zukunft fegen kann.

Der Schornsteinfeger schlug vor, eine Klappe in Höhe der Kehlbalkenanlage im Schornstein einzubauen. Von dort kann er dann alle Züge erreichen und fegen. Somit wurde die Klappe eingesetzt und dem Schornsteinfeger im Raum oberhalb der Räucherkammer ein Gitterrost als Arbeitsplatz eingebaut. Von Unten bedienbare Klappen können im Winter bei Nichtbenutzung der Grillstellen und der Herdglocke die Züge schließen und das Abfließen von Warmluft verhindern.

Wärmedämmung und Heizung

Die neuen Fußbodenaufbauten erhielten eine 18 cm Dämmung aus Styrodurplatten und Perliteschüttung gegen das Erdreich. Alle Außenwände wurden mit 8 cm Multiporplatten gedämmt, im Dachaufbau wurden 16 cm Zellulosedämmung eingeblasen. Die Fenster haben trotz der schmalen Profile eine Verglasung mit einem Ug-Wert von 1,1.

Die Fußboden– und Wandheizflächen werden über eine Gastherme erwärmt.

Lehmbau

Im Gebäude ist an vielen Stellen Lehm verbaut: im Stampflehmfußboden des Kellers, der Wickelstaken der Holzbalkendecke, der Fachungen der Außenwände. Der gesamte Mantelschornstein im Dachgeschoß ist aus Lehmziegeln errichtet. Was lag nun näher, als zu erneuernde Bauteile wieder in Lehmbautechniken zu ergänzen? Da damit vor allem bei den Stakenbauweisen der Decken und Wände ein sehr hoher Arbeitsaufwand verbunden ist, organisierten Martin Krassuski und der VERN e.V. an zwei Wochenenden im Sommer 2018 Lehmbaukurse, bei denen die sanierten Bereiche der Holzbalkendecke und die Fachwerkfachungen der Hoffassade und eines Giebeldreiecks mit verschiedenen traditionellen und modernen Lehmbautechniken ausgefacht wurden. Der verwandte Lehm stammte aus der Greiffenberger Kiesgrube, das Langstroh aus dem Anbau alter Getreidesorten des VERN e.V. und der Kuhdung vom regionalen Milchbetrieb Hemme.

Bei strahlendem Sommerwetter wurde unter Anleitung des Lehmbauers Gerhard Bocian der Lehm aufbereitet, Staken mit Stroh und Lehm umwickelt und eingebaut. Neben dem Erfolg nach getaner Arbeit hatten alle ein tolles Gemeinschaftserlebnis. Als am Ende nicht alles geschafft war, kamen Christian Tschepe und einige Teilnehmer noch an zwei weiteren Samstagen zum freiwilligen Einsatz.

Auch die am Bau beteiligten Handwerksbetriebe ließen sich anstecken und führten Lehmbauarbeiten bei den Innenwänden fort. Huhnholz Bau erwarb eigens einen für die Herstellung von Lehmputzen geeigneten Zwangsmischer.

Alles Öko

Bis auf den Bereich der technischen Ausrüstung wurden tunlichst nachhaltig produzierte Baustoffe verwendet, wenn möglich aus der Region. Dies sind das Kiefernholz der Decken-, Dach- und Fachwerkbalken, die Lärchen- und Eichendielen, die Ziegel der Wände, Lehm für Fachungen und Putze, Zellulose und Perlite als Dämmung.

Viele Bauteile sind recycelt und wurden im Bauwerk wiederverwendet: Die Handstrichbiber auf dem Dach, die Ziegelfußböden in den Sanitärräumen, geborgene Füllungstürblätter und vor allem Beschläge für Fenster und Türen von Benjowski & Rösler aus Bernau.

Das Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und im Garten des VERN e.V. genutzt.

Abb. 10 Bauzeitlicher Schornsteinkopf (Foto M. Krassuski)
Abb. 11 Kapitel der Lisene (Foto M. Krassuski)
Abb. 12 Sanierte Fachwerkfüße im Ostgiebel (Foto M. Krassuski)
Abb. 13 Vorratsnische im sanierten Keller (Foto M. Krassuski)
Abb. 14 Burgstrasse 21, Strassenfront (Foto VERN)
Danksagung

Der VERN e.V. dankt Martin Krassuski für seine vielfältigen Ideen und sein begeistertes Engagement bei der denkmalgerechten Sanierung des Seminarhauses, seine hilfreiche Fördermittelberatung und für seinen unermüdlichen Einsatz bei der Umsetzung des Bauvorhabens.

Ohne die Finanzierung durch die öffentliche Hand und durch Stiftungen wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen. Dank insbesondere an das LELF in Prenzlau mit Frau Peper und Frau Michalczyk für die Begleitung bei der Abrechnung der LEADER Mittel.

Viele Spender, insbesondere ein großzügiges Vermächtnis, ermöglichten es dem VERN e. V. die notwendigen Eigenanteile dieser großen Investition zu tragen.

Die Zusammenarbeit mit Frau Nowatzky von der unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Uckermark und Frau Dr. Groß vom Landesamt für Denkmalpflege war auch bei diesem Objekt ein positiver konstruktiver Austausch. Der Statiker Herr Popper hat mit seinen kreativen Tragwerkslösungen u.a. den Erhalt des Mantelschornsteins ermöglicht. Ohne den lebenspraktischen Bezirksschornsteinfegermeister Röseler wäre die Umsetzung der feuertechnischen Arbeiten nicht möglich gewesen.

Wir danken den Handwerkern, die die Planungen umsetzten:

Huhnholz Bau, Herr Huhnholz und Mitarbeiter – Maurer und Putzarbeiten

Holzmanufaktur Weber, Herr Weber und Mitarbeiter – Zimmererarbeiten, Herdglocke, Eingangstür, Kreuzstockfenster, Holzfußböden, Innentreppe, Eingangslaube

Dachdeckerei Klein, Herr Klein und Mitarbeiter – Dachdecker und Dachklempnerarbeiten

Tischlerei Jähnke – Fenster Hof und Giebel

Historische Bauwerkstücke, Herr Benjowski und Herr Rösler – Fensterbekleidungen, Innentüren, historische Baumaterialien

Fliesencenter Hütteroth, Herr Hütteroth und Herr Jeschke – Ofenbauarbeiten

Heizungsbau und Sanitärinstallation Braun, Herr Braun und Mitarbeiter – HLS Installation

Müske Elektroanlagen, Herr Müske und Herr Brandt – Elektroinstallation, Datennetz

Metallbau Matthias, Herr Matthias und Mitarbeiter – Metallarbeiten Außentreppe, Kaminroste

Erste Prenzlauer Maler GmbH – Malerarbeiten

Förderhinweise:

Der Ausbau des Hauses wird gefördert durch ELER Brandenburg, www.eler.brandenburg.de

 

Spezifische Teilprojekte und die Innenausstattung wurden gefördert durch:
  • Denkmalpflege des Landkreises Uckermark
  • Deutsche Stiftung Denkmalschutz
  • MWFK Brandenburg, Förderprogramm: Denkmalhilfe im Land Brandenburg 2019
  • GLS Zukunftsstiftung
  • Fördermittel aus der Konzessionsabgabe Lotto (MLUL)
  • Bürgerstiftung der Sparkasse Uckermark
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